Rick Maddocks – Blue Horse Opera – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Wenn im Titel eines Longplayers der Begriff Opera auftaucht, dann erwartet man ein auch im Rock-Pop-Bereich ein opulentes Konzeptalbum. Mit 17 Tracks ist das Werk von Rick Maddocks durchaus lang und ein Konzept steht ebenfalls hinter ihm. Maddocks versteht „Blue Horse Opera“ als Soundtrack zu einem imaginären Westernfilm. Western werden ja gerne als Pferdeopern bezeichnet. Dabei lehnt sich der Kanadier weniger an dem Sound klassischer Genrebeiträge an, sondern an den der Italo-Western.

Für diesen steht natürlich Ennio Morricone als Referenz, der wenig mit Country am Hut hat. Die Bezüge zum Paten der Italo-Western-Musik treten an einigen Stellen deutlich zutage – etwa beim Opener „Imperial Suite“. Auch bei anderen Beiträgen sind Verbindungen offenkundig, wenn beispielsweise klassisch gesungene Soprane in die Kompositionen einfließen („South Of Circumstance“, „Las Arenas“). Andere Stücke wie „Miner“ folgen weder den Spuren von Morricone noch denen des Country.

Das Album sollte als Gesamtkunstwerk verstanden werden, bei dem experimentelle Ansätze („La Raya“, „Caballos Azules”) ihren Raum haben. Circa ein Drittel der Tracks sind instrumental. Maddocks versammelte eine große Anzahl an Musiker*innen, um sein Projekt umzusetzen. Überraschend ist, dass mit Dayna Szyndrowski eine Flamenco-Tänzerin in den Credits gelistet ist. Dies erklärt sich wohl damit, dass „Blue Horse Opera“ zuerst live auf der Bühne performt wurde.

Obwohl die Beteiligten aus Kanada stammen – Maddocks ist in seiner Jugend von Wales nach Ontario übergesiedelt – erinnert die Musik weniger an die Schneelandschaften, wie sie in Sergio Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“ gezeigt werden, sondern tatsächlich an den Süden Nordamerikas. Mehrere Songs spiegeln mit staubigen Gitarren („Las Arenas“, „If A Coward Says He Loves You“) eher die Wüstensatmosphäre der Dollar-Trilogie von Sergio Leone wider. An die mexikanische Grenze versetzt das in Spanisch gesungene „El Molino“. Mit Trompete und Percussion lädt Maddocks bei „Don Esteban And His Bastard Daughter“ auf eine Fiesta ein. In Richtung Tejano ein geht ebenfalls „Black Sand Rumba“.

Die vertonte Pferdoper wartet mit komplex arrangierten Stücken auf, die sich durch ein Konglomerat verschiedener Musikrichtungen von Klassik bis Tejano auszeichnet. Wenn kein Italo-Western auf dem Bildschirm läuft, kann man sich von „Blue Horse Opera“ in einen hineinversetzen lassen. Wer nicht das Sitzfleisch für eine Oper hat, dem seien die Americana-Songs „Blue Horses“, „Stand Still, Pretender“ und „Guilty Party“ zum Reinhören anempfohlen.

Eigenproduktion (2025)
Stil: Americana, Tejano and more

Tracks:
01. Imperial Suite
02. Blur Horses
03. Silver
04. South Of Circumstance
05. Miner
06. Las Arenas
07. Stand Still, Pretender
08. El Molino
09. La Raya
10. Don Esteban And His Bastard Daughter
11. Silver Again
12. Guilty Party
13. Caballos Azules
14. Black Sand Rumba
15. The Hearing
16. World Upside Down
17. If A Coward Says He Loves You

Blue Horse Opera

The Bros. Landreth – Dog Ear – Album-Review

Review: Michael Segets

Blut ist bekanntlich dicker als Wasser und so gibt es einige langlebige Bands, die im Kern aus Verwandten bestehen. Bei The Bros. Landreth sind es die Gebrüder Dave und Joey Landreth. Mit im Boot sitzt zurzeit Schlagzeuger Roman Clarke, der zusammen mit den beiden Brüdern alle Songs auf „Dog Ear“ geschrieben hat. Bei der ersten Single „I’ll Drive“ war zudem noch Jonathan Singleton als Autor beteiligt.

The Bros. Landreth sind seit einem Dutzend Jahren aktiv. Sie stammen aus Winnipeg, das im kanadischen Bundesstaat Manitoba liegt, und heimsten bereits zwei JUNO-Awards ein. Bonnie Riatt coverte einen ihrer frühen Songs und gewann für die Performance einen Grammy. Riatt war anfänglich eine musikalische Inspirationsquelle für das Landreth-Duo. Mittlerweile wird sie von ihm als Mentorin gesehen, zu der eine freundschaftliche Beziehung besteht. Die Verbindung zeigt sich auch daran, dass Riatt bei zwei Tracks des neuen Albums mitwirkt. Bei „Knuckles“ ist sie Duett-Partnerin, auf „Half Moon Eyes“ hört man sie im Background. Mit Begonia holen sich The Bros. Landreth für „Strange Dear“ ebenfalls prominente Unterstützung für den Harmoniegesang.

Insgesamt lässt sich „Dog Ear“ ähnlich charakterisieren, wie Daniel es mit dem dem vorangegangenen Album „Come Moring” (2022) getan hat. Es liefert größtenteils textlich nachdenklichen, musikalisch unaufgeregten, melodiösen Americana. Der ist mal folkig gehalten („Sunrise, Sunset“), mal passiert etwas mehr im Hintergrund („Let Me Down Easy“). Bei einzelnen Track schwingt etwas von Jackson Browne mit („Vincent“).

Den dramatischen Höhepunkt des Albums stellt „Tumbling Wild“ dar. Hier wird der E-Gtarre etwas mehr Raum gegeben. Die elektrischen Gitarrenparts geben auch „Wide Awake And Dreaming“ sowie dem bereits erwähnten „Half Moon Eyes“ Energie, die dem Longplayer, der sich in Gänze vorwiegend im balladesken Bereich bewegt, zugutekommt.

Aufgrund von familiären Umständen ist das gemeinsame Projekt der Geschwister zeitweise ins Stocken geraten. Nachdem die beiden Brüder sich wieder in einen gemeinsamen Arbeitsrhythmus einfanden, flutschte das Songwriting. Obwohl Dave sagt, dass das Songwriting normalerweise eine anstrengende Sache ist, hatten sie für „Dog Ear“ letztendlich mehr Songs zusammen, als schließlich den Weg auf den Longplayer gefunden haben. Früher mussten sie quasi das Material veröffentlichen, das da war. Nun waren The Bros. Landreth in der komfortablen Lagen, eine Auswahl zu treffen.

Dave Landreth beurteilt die Songs des vierten Albums der Gebrüder als pretty good. Der Einschätzung kann hier uneingeschränkt gefolgt werden. „Dog Ear“ ist vielleicht nicht ein aufwühlender, Musikgeschichte schreibender Wurf, aber allemal ein guter Begleiter für ruhigere Stunden.

Im Februar treten The Bros. Landreth an verschiedenen Orten in Deutschland auf, u. a. am 25. im Kölner Luxor.

Birthday Cake Records – Cargo (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Sunrise, Sunset
02. I’ll Drive
03. Half Of Me
04. Vincent
05. Half Moon Eyes
06. Tumbling Wild
07. Dog Ear
08. Knuckles (feat. Bonnie Riatt)
09. Let Me Down Easy
10. Wide Awake And Dreaming
11. Strange Dear

The Bros. Landreth
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Cargo Records
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Lucky Came To Town – The River Knows My Name – CD-Review

Review: Michael Segets

Americana muss nicht unbedingt aus Amerika stammen, wie auch das belgische Sextett Lucky Came To Town beweist. Wer sich in Europa dieser Musikrichtung verschreibt, heimst sowieso schon mal Sympathiepunkte ein. Die Bandgründung geht auf das Jahr 2015 zurück. Nach einzelnen mehr oder weniger offiziellen EPs und Live-Mitschnitten erscheint nun der erste Longplayer mit zehn Eigenkompositionen. „The River Knows My Name“ bietet handgemachte Musik, die sich durch ihre Gradlinigkeit wohltuend von neueren Strömungen im Genre abhebt.

Lucky Came To Town setzt auf klare Songstrukturen und eingängige Melodien, die an keiner Stelle langweilig werden. Songwriter und Frontmann Kim Van Weyenbergh wird von seiner Frau Annemie Moons am Mikro begleitet. Die beiden Stimmen harmonieren bestens, besonders eindrucksvoll beim Opener „Ain’t No Blues“ oder später bei „Even Now“.

Auf „Hands On The Wheel“ steuert Lead-Gitarrist Wouter Grauwels ein gelungenes Solo bei. Das kraftvolle Stück geht in Richtung Celtic-Folkrock. Bei einem der Highlights der CD hat auch Dimitri Laes an den Keys seinen Part. Laes glänzt durchweg an den Tasten – so auch auf „Come Dance“. Der schunkelige Song erinnert an einzelnen Stellen an Steve Earle. Dirk Lekenne (Slide Guitar) und Katrien Bos (Fiddle) verstärken die Band dort als Gastmusiker.

Weiterhin sorgt die Gastgeigerin für den richtigen Country-Flair, den „Going Back“ verströmt. Die Rhythmus-Section mit Joost Buttiens (Bass) und Bart Steeno (Drums) leisten ebenfalls ganze Arbeit. Sie gibt langsameren Tracks wie „Oh, Loretta“ Schwung und überzeugt, wenn es wie bei „Soulfire“ in den Uptempo-Bereich geht.

Eine wunderbarer Beitrag ist „Lone Wolf”, der auch aus Warren Zevons Feder stammen könnte. „Coal Blues“ erzeugt eine dunklere Stimmung. Atmosphäre bekommt das Stück durch die eingestreuten Klavier- und Gitarrenpassagen sowie den mehrstimmigen Gesang. Der Song steht denen von Bruce Springsteen, wie er sie für „The Ghost Of Tom Joad“ oder „Devils And Dust“ geschrieben hat, in nichts nach. Zum Abschluss gibt es dann einen rockigeren Track. „New York City Lights“ punktet vor allem mit einem ins Ohr gehenden Refrain.

Die angeführten Referenzen lassen schon erahnen, dass das Gesamturteil sehr positiv ausfällt. Das Album bietet geerdeten Americana in unterschiedlichen Spielarten. Es ist abwechslungsreich und hat keine Ausfälle zu verzeichnen. Die CD hält darüber hinaus eine beachtliche Anzahl von sehr hörenswerten Titeln bereit, die eine uneingeschränkte Kaufempfehlung rechtfertigen.

Gut Ding will Weile haben. Zehn Jahre nach ihrer Gründung veröffentlicht Lucky Came To Town ihren ersten Longplayer. Die Band hatte also genügend Zeit, ihre Hausaufgaben zu machen. Sie bekommt für „The River Knows My Name“ einen Eintrag mit Sternchen.

Eigenproduktion (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Ain’t No Blues
02. Come Dance
03. Oh, Loretta
04. Hands on the Wheel
05. Lone Wolf
06. Going Back
07. Soulfire
08. Even Now
09. Coal Blues
10. New York City Nights

Lucky Came To Town
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Todd Snider – High, Lonesome And Then Some – CD-Review

Review: Michael Segets

Flossen auf der letzten Veröffentlichung „Crank It, We’re Doomed” (2023) viele Stilrichtungen ein, verfolgt Todd Snider mit „High, Lonesome And Then Some“ ein Konzept, das sich deutlich am Blues orientiert und sich mit totaler Verlangsamung recht gut beschreiben lässt.

Während sich nach Aussage von Snider der Vorgänger thematisch um einen Mann drehte, der den Verstand verliert, zeigen die Texte nun einen Mann, der auf Situationen seines Lebens zurückblickt und versucht, nicht gegangene Wege vielleicht doch noch einzuschlagen. Hört sich nach jemanden in der Midlifecrisis an? Snider umgeht pathetische Floskeln durch seine scharfe Selbstbeobachtung und eine distanzierte Reflexion. Die in den Texten thematisierten Lebenskrisen werden – zumindest teilweise – mit Humor getragen. Dieser schlägt auch bei seiner Bearbeitung eines Stücks von Don Covay durch. Mit einem selbstkritischen Augenzwinkern werden in „Older Women“ eher ernüchternde Erfahrungen mit jüngeren Frauen geschildert.

Allerdings singt Snider öfter über verstorbene Freunde als über Frauen, wie er in einem Interview sagt. Seine musikalischen Vorbilder wie Kris Kristofferson, Guy Clark, John Prine oder Jerry Jeff Walker sind mittlerweile von uns gegangen. Snider setzt die dort angelegten Traditionslinien fort und bereitet die Übergabe des Staffelstabs an die nächste Generation vor, indem er beispielsweise Sierra Ferrell oder Hayes Carll unterstützt.

Beim Opener „The Human Condition (Dancing Like I Don’t Know How)“ sinniert Snider über die Natur des Menschen und dessen eingeschränkte Erkenntnisfähigkeiten. Snider tut das mit minimalistischer Begleitung. Beim folgenden „Unforgivable (Worst Story Ever Told)“ verfährt er ähnlich. Hier sind die Backgroundsängerinnen auffällig, die Snider nahezu durchgängig einsetzt. Erica Blinn und Brooke Gronemeyer milden bei mehreren Songs deren Sperrigkeit etwas ab und geben den Stücken mehr Harmonien mit. So gewinnt auch der eingängigste Track „While We Still Have A Chance“ durch die Sängerinnen. Den folgerichtig als erste Single vorab ausgekoppelten Song schrieb Snider zusammen mit Chris Robinson (Chris Robinson Brotherhood, The Black Crowes).

Typisch für Sniders Alben sind eingestreute Songs, die er mit Sprechgesang vorträgt. Auch diesmal findet sich ein entsprechender Titel („One, Four Five Blues“). Ansonsten brummt der Singer/Songwriter mal mehr und mal weniger ins Mikro. Dies ist natürlich auch dem Albumkonzept geschuldet. Ab „It’s Hard To Be Happy (Why Is For Redneck?)“, gefolgt von „Stoner Yodel #2 (Raelyn Nelson)”, dem bereits erwähnten „Older Women” und dem Titelstück bis hin zum abschließenden „The Temptation To Exist“ gelingt es dem Longplayer, einen gewissen Groove zu entwickeln.

Nach Anlaufschwierigkeiten steigert sich die zweite Hälfte von „High, Lonesome And Then Some”. Dennoch erscheint der Longplayer zwischen Americana und Blues insgesamt etwas schwerfällig. Dies liegt nicht an den introspektiven Texten, die Todd Sniders gewohnte Qualitäten zeigen, sondern an der entschleunigten musikalischen Umsetzung. „High, Lonesome, Then Some” ist ein Konzeptalbum, das es den Hörenden nicht ganz leicht macht.

Lightning Rod Records – Thirty Tigers (2025)
Stil: Americana, Blues

Tracks:
01. The Human Condition (Dancing Like I Don’t Know How)
02. Unforgivable (Worst Story Ever Told
03. While We Still Have A Chance
04. One, Four Five Blues
05. It’s Hard To Be Happy (Why Is For Redneck?)
06. Stoner Yodel #2 (Raelyn Nelson)
07. Older Women
08. High, Lonesome And Then Some
09. The Temptation To Exist

Todd Snider
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Amanda Shires – Nobody’s Girl – CD-Review

Review: Michael Segets

2025 haben sich einige Grandes Dames der amerikanischen Songwriterinnen-Gilde mit neuen Werken zu Wort gemeldet. Amanda Shires reiht sich nun mit ihrem achten Soloalbum „Nobody’s Girl“ in die Liste ein.

Auf ihrem letzten Longplayer „Take It Like A Man“ (2022) begeisterte mich vor allem „Hawk For The Dove“ für das der Terminus Southern Gothic herangezogen wurde. Auf der neuen Scheibe finden sich keine so expressiven Geigenintermezzi wie auf diesem Stück. Lediglich bei „Can’t Hold Your Breath“ klingen solche Violinen-Parts an. Einen dunklen Gothic-Touch entwickelt „Lose It For A While“ in der zweiten Hälfte nach einem erstklassigen akustischen Einstieg. Das fünfminütige Opus ist einer der Songs, in die man hineingezogen wird. Dies gelingt auch bei Titeln wie „Living“ oder „Lately“, bei denen Shires eine besondere Zerbrechlichkeit in ihre Stimme legt. Hier wird eine übermäßige Süße vermieden, während an manch anderen Stellen einzelne Beiträge eher zahm wirken („A Way It Goes“, „Streetlights And Stars“).

Die Kombination von minimalistisch oder opulent instrumentierten Passagen zeichnen Titel wie „Not Feel Anything“ aus. Dass bei Shires die Violine eine zentrale Rolle spielt, ist selbstverständlich, aber auch das Klavier ist auf einigen Stücken präsent. Auf „Friend Zone“ ergänzen sich beide Instrumente quasi gleichberechtig.

Neben einigen gefühlvollen Balladen gefallen mir die Stücke, bei denen Shires die Zügel loslässt, am besten. Dazu gehört vor allem „Piece Of Mind“. Hier blitzt eine rockige Facette auf, die ihr sehr gut steht. Mittig auf dem Longplayer platziert, rüttelt sie die Hörenden gehörig auf. Darüber hinaus findet sich mit „Strange Dreams“ noch eine weitere Uptempo-Nummer, die zwar nicht die Kraft wie das zuvor genannte Stück entfaltet, dennoch die Dynamik des Albums belebt.

Seit Shires mit zehn Jahren eine Geige von ihrem Vater geschenkt bekam, die er in einem Pfandhaus erwarb, ist sie der Musik verfallen. Als sie Bobbie Nelson auf der Bühne sah, erkannte sie, dass auch Frauen im Musikbusiness ihren Weg gehen können. Vor ihrem aktuellen Album veröffentlichte sie „Loving You“ (2023) mit der Schwester von Willie Nelson und erfüllte sich so einen lang gehegten Wunsch. Neben ihrer Solo-Karriere war sie mit The Highwomen erfolgreich und gewann als Bandmitglied von The 400 Unit einen Grammy mit Jason Isbells „The Nashville Sound“.

2013 schloss sie eine Ehe mit Isbell, die in diesem Jahr nach längeren rechtlichen Auseinandersetzungen geschieden wurde. Dass es in der Beziehung kriselte konnte man schon auf ihrem siebten Album zwischen den Zeilen heraushören. „Nobody’s Girl“ ist deutlich von dieser Lebensphase geprägt, auch wenn Shires betont, dass sie keine Scheidungs-Platte aufnehmen wollte. So feiern die Texte nicht eine vermeintlich zurückgewonnene Freiheit, sondern werfen einen Blick zurück und einen Blick in die Zukunft. Veränderungen der Lebensumstände erfordern eine Neuorientierung, die Kraft kostet und erfordert. Diese Kraft beschwört Shires in ihren Texten.

Musikalisch knüpft „Nobody’s Girl“ an die bisherigen Werke von Amanda Shires an. Gefühlvolle Balladen, die diesmal deutlich mit dem Wechsel reduzierter und voller Instrumentierung spielen, prägen das Album. Einzelne Titel, die dunkler ausfallen, sowie der Ausflug in rockige Gefilde, stechen dabei heraus. Gerade mit diesen Songs habt sie sich von anderen Songwriterinnen und Sängerinnen im Americana-Bereich ab.

ATO Records/PIAS – Rough Trade (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Intro – Invocation
02. A Way It Goes
03. Maybe I
04. The Details
05. Living
06. Lose It For A While
07. Piece Of Mind
08. Streetlights And Stars
09. Lately
10. Friend Zone
11. Strange Dreams
12. Can’t Hold Your Breath
13. Not Feeling Anything

Amanda Shires
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Pias/Rough Trade
Oktober Promotion

Josh Ritter – I Believe In You, My Honeydew – CD-Review

Review: Michael Segets

Josh Ritter bringt seit über fünfundzwanzig Jahren Musik heraus. Bislang hatte ich zwei Berührungspunkte mit seinem Output: Das starke Album „Fever Breaks“ (2019), das in Kollaboration mit Jason Isbell & The 400 Unit entstand, sowie das enttäuschende „Spectral Lines“ (2023). Der neue Longplayer „I Believe In You, My Honeydew“ reicht zwar nicht an die Scheibe aus dem Jahr 2019 heran, überflügelt aber „Spectral Lines“ um Längen.

Der Opener „You Won’t Dig My Grave“ hätte gut auf „Fever Breaks“ gepasst. Der Chor mit seinem Gospel-Einschlag gibt dem starke Stück eine besondere Atmosphäre, die den Textinhalt – eine selbstbewusste Abrechnung mit Widersachern – nochmal unterstützt. Unter der Leitung von David Coleman liefern die Background-Sänger*innen Nicole Herring, Crystal Dixon und George Furtado bei anderen Tracks („Noah’s Children“, „Wild Ways“) gleichfalls eine hervorragende Leistung ab.

Sie begleiten ebenso „Kudzu Vines“. Der Song ist durch den Wechsel von solo-vokalen Passagen und kräftigem Schlagzeug mit härteren Gitarrenriffs geprägt. Das Gitarrensolo gegen Ende des Titels setzt diesem nochmal ein Sahnehäubchen auf. Dieser Beitrag, der auf meiner Bestenliste der diesjährigen Veröffentlichungen steht, rechtfertigt zusammen mit dem Opener schon den Kauf des Albums.

Darüber hinaus bietet der Longplayer aber noch weitere Stücke, die lohnenswert sind. Dabei beweist Ritter ein variantenreiches Songwriting sowie abwechslungsreiche Arrangements. Seine Songs changieren irgendwo zwischen denen von Todd Snider, Hayes Carll oder Will Varley. Bei dem ausschließlich mit akustischer Gitarre performten „Truth Is A Dimension (Both Invisible And Blinding)“ bewegt sich Ritter ganz in der Tradition der Folksinger. Sehr stimmungsvoll ist auch „Thunderbird“ mit einer dezenten, aber feinen Instrumentalisierung.

Expressiver wirkt hingegen „Honeydew (No Light)“, bei dem Ritter auf dominante Percussion setzt. Der Song ist nicht so mein Fall. Mit „Wild Ways“ hatte ich meine Anlaufschwierigkeiten. Der zunächst sehr gleichförmig erscheinende Track gewinnt bei mehrmaligen Hören und enthält einige Spannungskurven, sodass er ebenfalls auf der Habenseite zu verbuchen ist wie der Country-Walz „The Wreckage Of One Vision Of You“.

Josh Ritter erweist sich auf „I Believe In You, My Honeydew“ als versierter Songwriter, der zu einem erdigeren Sound zurückfindet. Zwei hervorstechende Songs, mehrheitlich überzeugende Beiträge und nur einzelne Tracks, die mich nicht so ansprechen, führen insgesamt zu einer deutlich positiven Bilanz. Mit dem Album setzt sich der Mann aus Idaho wieder auf die Liste der Musiker, die zukünftig im Auge zu behalten sind.

Phytheas Recordings – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. You Won’t Dig My Grave
02. Honeydew (No Light)
03. Truth Is A Dimension (Both Invisible And Blinding)
04. Noah’s Children
05. Wild Ways
06. Thunderbird
07. Kudzu Vines
08. I’m Listening
09. The Wreckage Of One Vision Of You
10. The Throne

Josh Ritter
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Rodney Crowell – Airline Highway – CD-Review

Review: Michael Segets

Auf dem letzten Album „The Chicago Sessions“ (2023) schlug Rodney Crowell einen Bogen zurück zu seinen musikalischen Anfängen und wurde dafür mit einer Grammy-Nominierung belohnt. Nun legt er den Fokus auf den Moment und setzt sich das Ziel, mit seiner Arbeit zufrieden zu sein. Dies kann er mit „Airline Highway“ sein. Crowell integriert frisches Blut in seine Produktion, indem er sich Musiker*innen der ihm nachfolgenden Generation ins Boot holt. Wenn man so will, richtet der Fünfundsiebzigjährige damit den Blick auch in die musikalische Zukunft.

Ob nun die Zusammenarbeit mit den jüngeren Musiker*innen als deren Förderung oder als marketingtechnischer Kniff interpretiert werden mag, um den Kreis der Hörerschaft zu erweitern, sei dahingestellt. Crowell ist von den Werken seiner Kolleg*innen begeistert und sagt, dass er eine besondere Verbindung zwischen ihm und den anderen Mitwirkenden während der Kollaboration entstand. Die beteiligten Musiker*innen geben ihrerseits an, dass er einen wichtigen Beitrag zu ihrer Entwicklung leistete.

Crowell begann als Songwriter für andere Country-Größen wie Jerry Jeff Walker, Johnny Cash oder (Willie Nelson, der in diesem Jahr ein Album ausschließlich mit Songs von Crowell herausbrachte. In den 1980ern startete Crowells erfolgreiche Solo-Karriere mit etlichen Hits.

Wie nicht anders zu erwarten, führt die Zusammenarbeit mit Lukas Nelson und Charlie Starr von Blackberry Smoke zu eher rockigen Resultaten. Lukas Nelson verfasste „Rainy Day In California“ mit und singt gemeinsam mit dem Altmeister. Charlie Starr ist bei „Heaven Can You Help“ am Mikro zu hören. Aber auch ohne die Unterstützung der Jungspunde weiß Crowell, wie man Uptempo-Nummern spielt („Don’t Give Up On Me“).

Der Texaner ist ursprünglich in der Country-Ecke beheimatet. Auf „Sometime Thang” frönt er dem Genre ganz Old-School. Der Titel ist rund und melodiös. Mehr Schwung hat „The Twenty-One Song Salute (Owed To G. G. Shinn And Cléoma Falcon)”, bei dem Tyler Bryant mitmischt. Die Schwestern Lovell von Larkin Poe begleiten Crowell auf dem sommerliches Flair versprühende „ Louisiana Sunshine Feeling Okay”. Sehr gefühlvoll ist sein Duett mit Ashley McBryde inklusive einem schönen Gitarrensolo am Ende des Songs. Bei dem Stück passt auch die gesprochene Bridge. Sprechgesang – von dem ich kein großer Freund bin – findet sich bei den Werken von Crowell häufiger. Er erscheint mir auf „Simple (You Wouldn’t Call It Simple)” zu dominant.

Crowell nutzt für seine Texte selbstverständlich seine Lebenserfahrung. Ein Rückblick auf vergangene Liebschaften und Beziehungen zu Frauen nehmen so einen wichtigen Raum ein („Maybe Somewhere Down The Road“, „Some Kind Of Woman“). Dabei räumt er ein, dass manche Gefühle mittlerweile nicht mehr zu vergegenwärtigen sind und Erinnerungen verblassen: Fluch und Segen des fortgeschrittenen Alters.

Für „Airline Highway“ holt sich Rodney Crowell eine Riege namhafter Musiker*innen ins Studio. Mit dem Staraufgebot bestehend aus Lukas Nelson, Larkin Poe, Ashley McBryde, Tyler Bryant und Charlie Starr kann eigentlich nichts schief gehen. So gelingt dem Routinier ein abwechslungsreiches und belebendes Album, das trotz der selbst verschriebenen Verjüngungskur seine Handschrift trägt.

New West Records – Bertus (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Rainy Day in California (feat. Lukas Nelson)
02. Louisiana Sunshine Feeling Okay (feat. Larkin Poe)
03. Sometime Thang
04. Some Kind Of Woman
05. Taking Flight (feat. Ashley McBryde)
06. Simple (You Wouldn’t Call It Simple)
07. The Twenty-One Song Salute (Owed To G. G. Shinn And Cléoma Falcon) (feat. Tyler Bryant)
08. Don’t Give Up On Me
09. Heaven Can You Help (feat. Charlie Starr)
10. Maybe Somewhere Down The Road

Rodney Crowell
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New West Records
Oktober Promotion

Pat Carter – Love In The Time Of Capitalism– Album-Review

Review: Michael Segets

Pat Carter brachte mit der Band Rodeo FM bisher vier Alben heraus und tourte ausgiebig quer durch Europa. Nun wandelt er mit „Love In The Time Of Capitalism“ auf Solo-Pfaden, wobei die aktuelle Single „Big Machine“ zusammen mit Radio FM geschrieben und eingespielt wurde. Die Alternative Country Band spielt laut Fachpresse linksorientierten Diskurs-Country und auch Carters Albumtitel weist in diese Richtung. Soweit ich die Texte nachvollziehe, finden sich zwar häufig sozialkritische Töne, aber „Love In The Time Of Capitalism“ ist kein schwermütiges Werk, das einen politisch verkopften Eindruck hinterlässt.

Mit „Here’s To You“ steigt Carter mit einer flotten Americana-Nummer in seinen Longplayer ein. Die erste Auskopplung „Taste Of Sand“ ist moderner Folk, der trotz seines ernsthaften Inhalts eine gewisse Leichtigkeit verströmt. Dazwischen ist „Gentle & Honest“ eingeschoben. Mit dem gefühlvollen Anfang und seinem souligen Touch, der durch Trompete und Saxophon unterstützt wird, zählt das Stück zu den Highlights des Longplayers. Ebenso nimmt mich das Roots-rockige „Ridicule The Bougeoisie“ mit, bei dem Karl Marx von der Ferne grüßt.

Der mit schönem Fingerpicking und einer gehörigen Portion Slide performte Titeltrack „Love In The Time Of Capitalism“ markiert dann eine Zäsur in dem Werk. Wenn es bis dahin nichts zu mäkeln gibt, liegen die Songs im Mittelteil des Albums nicht auf meiner Linie. Bei „Barbed Wire“ stört mich der gezogene Gesang, „Kitchen Door“ geht in Richtung Indie-Pop und die Ballade „Miranda“ dümpelt über sechs Minuten vor sich hin.

Zur Form des Anfangs findet Carter mit „Street Corner“ zurück. Die entspannt daherkommende Country-Nummer punktet mit Twang und Slide. Etwas ruhiger wird es bei „Why Do Birds“, das in einer Passagen etwas dramatisch ausfällt. Gradlinig rockt „Xenia, Ohio“. Er lässt die schwächelnde Mitte des Longplayers fast vergessen. Nur mit seiner Gitarre performt Carter das letzte Stück der CD „What About Trouble“. Am Abschluss wird nochmal die Qualität seines Songwritings deutlich.

Der Vielzahl aufgegriffener musikalischer Einflüsse ist es geschuldet, dass nicht jeder Track bei mir zündet. Pat Carters „Love In The Time Of Capitalism“ überzeugt dennoch über weite Teile vor allem bei den erdigen und rockigen Stücken. Texte mit ernsthaftem Hintergrund verpackt er mit einer gewissen Leichtigkeit in seinen Songs so, dass man ihnen gerne zuhört.

Pat Carter ist im August mit Rodeo FM unterwegs. Im September tourt er Solo mit Auftritten in Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz.

London Rage Records (2025)
Stil: Americana and more

Tracks:
01. Here’s To You
02. Gentle & Honest
03. Taste Of Sand
04. Ridicule The Bourgeoisie
05. Love In The Time Of Capitalism
06. Barbed Wire
07. Kitchen Door
08. Miranda
09. Big Machine
10. Street Corner
11. Why Do Birds
12. Xenia, Ohio
13. What About Trouble

Rodeo FM
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Oktober Promotion

Jason Isbell – Something More Than Free (10 Year Anniversary Edition) – Album-Review

Review: Michael Segets

Jason Isbell sorgt konsequent dafür, dass seine früheren Werke greifbar bleiben. Im Vergleich zu dem vor zwei Jahren erschienenen Paket zu „Southeastern“, das neben der remasterten Version des Albums Demoversionen und einen Konzertmitschnitt umfasst, fällt die Jubiläumsausgabe zum zehnten Jahrestag der Erstveröffentlichung von „Something More Than Free“ bescheidener aus.

Das Album wurde von Sylvia Massy (Tom Petty, Johnny Cash, Prince) neu abgemischt und bietet mit „Should I Go Missing“ einen Track, der nicht auf dem Original vertreten ist. Das bisher unveröffentlichte Stück mit dominanter Slide-Gitarre und hallverzerrtem Gesang führt das weiter, was mit „Palmetto Rose“ und „To A Band That I Loved“ am Ende des ursprünglichen Longplayers bereits anklingt. Insgesamt integriert sich der bluesorienierte Song aber nicht ganz nahtlos in das eher folkorientierte Werk. Er ist dennoch ein guter Beitrag, der als Ergänzung lohnt.

Das 2015 erschienene „Something More Than Free” bescherte Isbell seine beiden ersten Grammy-Awards. Ausgezeichnet wurde es als Americana-Album des Jahres und „24 Frames“ gewann in der Kategorie American Roots Song den Preis. Produziert hat Dave Cobb und an der Einspielung waren Amanda Shires, Sadler Vaden sowie weitere Mitglieder von „The 400 Unit“ beteiligt. Wann Isbell Solo-Alben und wann er welche mit „The 400 Unit“ veröffentlicht, erschließt sich mir nicht immer. „Something More Than Free” wird jedenfalls als Solo-Scheibe gezählt.

Neben „24 Frames“ und „Flagship“, die als Klassiker von Isbell gelten können, finden sich einige weitere Stücke, die zum gängigen Live-Repertoire gehören. So sind der Titelsong sowie „This Life You Chose“ auf der ersten CD aus dem Ryman Auditorium vertreten. „Speed Trap Town“ spielte Isbell auf der diesjährigen Akustiktour in Deutschland. Das von der Kritik hoch gelobte „Something More Than Free” enthält also einige Publikumslieblinge. Zu meinen Favoriten auf dem Album gehört der Folksong mit gospligen Refrain „If It Takes A Lifetime“.

„Something More Than Free” gehört in jede gut sortierte Americana-Sammlung. Wenn diese komplettiert werden soll, bietet es sich an, zur neu abgemischten und um einen Song erweiterten „10 Year Anniversary Edition“ zu greifen. Digital ist die Jubiläumsausgabe bereits erhältlich, als CD und LP ist sie für den 3. Oktober 2025 angekündigt.

Southeastern Records – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. If It Takes A Lifetime
02. 24 Frames
03. Flagship
04. How To Forget
05. Children Of Children
06. The Life You Chose
07. Something More Than Free
08. Speed Trap Town
09. Hudson Commodore
10. Palmetto Rose
11. To A Band I Loved
12. Should I Go Missing

Jason Isbell
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Thirty Tigers
Oktober Promotion
Kulturkirche Köln

Hayes Carll – We’re Only Human – CD-Review

Review: Michael Segets

Während Hayes Carll seine letzten Alben Schlag auf Schlag veröffentlichte, gingen vier Jahre ins Land, bis er nun den Nachfolger zu dem von der Kritik hoch gelobten „You Get It All“ (2021) nachschiebt. Das Warten hat sich jedenfalls gelohnt. Carll liefert auf „We’re Only Human“ wieder formidable Singer/Songwriter-Kost ab. Seinen scharfzüngigen Sarkasmus hat Carll nicht verloren. Dabei vermeidet er den erhobenen Zeigefinger, nimmt aber die menschlichen – und damit auch die eigenen – Schwächen aufs Korn. Dabei behält der Texaner den lebensbejahenden Tenor, der bereits seine früheren Alben durchzieht, weiterhin bei.

So zeichnet Carll beim Titelsong ein durchaus tiefsinniges Bild vom Menschen in einem Leben zwischen Angst und Hoffnung. Während hier die Klavierbegleitung bemerkenswert ist, steht bei „Progress Of Man (Bitcoin & Cattle)“ die Geige und das Fingerpicking im Vordergrund. Das Stück fängt als Bluesgrass-Nummer an, weicht dann jedoch mit Schlagzeug- und Klaviereinsatz von der klassischen Instrumentierung ab. Der bissige Humor des Textes wird im Lyric-Video durch die Bilder noch verstärkt. Es ich anzusehen, sind gut investierte vier Minuten.

Rockigere Töne, wie auf dem vorherigen Album vereinzelt zu finden, schlägt Carll diesmal nicht an. Der Schwerpunkt des Longplayers liegt auf langsamen Beiträgen. Dabei gelingen ihm eingängige Stücke („Stay Here Awhile“), die er manchmal mit viel Slide unterlegt („One Day“, „Making Amends“), die dann in Richtung Country weisen. Mit dem definitiv im Country zu verortenden „What I Will Be“ zieht das Tempo etwas an. Den Track schrieb Carll zusammen mit den Brothers Osborne. Er führt so eine bewährte Kollaboration fort.

Bei „I Got Away With It“ besticht der Einsatz der elektrischen Gitarre, der dem Song eine gewisse Dynamik mitgibt. Das schwächere „High” steigt mit einem einzelnen Horn ein, plätschert danach aber vor sich hin. Insgesamt bieten die balladesken Tracks trotz ihrer ähnlichen Ausrichtung eine gewisse Varianz hinsichtlich der Instrumentalisierung. Einen Big Band-Sound hat der ausgelassene Swing „Good People (Thank Me)“. Mit ihm hält das Album nochmal einen überraschenden Beitrag parat.

Carll setzt seinem Werk mit dem abschließenden „May I Never“ das Sahnehäubchen auf. Der stimmungsvolle Song zwischen Folk und Gospel lässt Parallelen zu Pete Seeger zu. Carll lud befreundete Musiker*innen ein, jeweils einen Vers zu singen: Ray Wylie Hubbard, Shovels & Rope, Darrell Scott, Nicole Atkins, Gordy Quist und Ed Jurdi (The Band Of Heathens).

Auf Hayes Carlls Alben finden sich stets einige Songperlen. „We’re Only Human“ bildet da keine Ausnahme. Intelligente Texte, die oftmals zum Schmunzeln einladen, zeichnen Carll aus. Musikalisch bedient er sich traditioneller Muster des Singer/Songwriter-Genres, bleibt aber nicht in diesen stecken, sondern führt sie souverän fort. Der neue Longplayer reiht sich so in die Linie seiner Veröffentlichungen ein und Carll erweist sich erneut als verlässliche Größe der Szene.

HWY 87 Records – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. We’re Only Human
02. Stay Here Awhile
03. Progress Of Man (Bitcoin & Cattle)
04. High
05. One Day
06. What I Will Be
07. Good People (Thank Me)
08. I Got Away With It
09. Making Amends
10. May I Never

Hayes Carll
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